Hayat und Matondo rappen, “Meine Haare sind schuld, meine Hautfarbe auch”. Sie meinen Racial Profiling
neues deutschland, Berlin-Ausgabe vom Mittwoch, 30. Oktober 2013, Seite 18
Das Haar hat Schuld
Kampagne will Racial Profiling stoppen
Von Jan Tölva
»Meine Haare sind schuld, meine Hautfarbe auch«, rappen Hayat und Matondo, zwei junge Musiker aus Berlin, in ihrem Song »Ausländer raus«. Sie erzählen von ihrer Erfahrung, häufiger von der Polizei kontrolliert zu werden als Gleichaltrige, die als »deutsch« und »weiß« wahrgenommen werden. Es gibt einen Namen für diese polizeiliche Praxis. Man nennt sie Racial Profiling.
Dieser aus den USA stammende Begriff bezeichnet die Ungleichbehandlung von Menschen seitens polizeilicher Organe aufgrund ihrer angenommenen ethnischen Zugehörigkeit, die einzig an Äußerlichkeiten festgemacht wird. Diese rassistisch diskriminierende Praxis ist im Grunde auf nationaler wie auch internationaler Ebene verboten. Paragraf 22 des deutschen Bundespolizeigesetzes legitimiert sie im ersten Absatz jedoch, schätzt eine Studie des Deutschen Instituts für Menschenrechte vom Juni diesen Jahres ein.
Die Bundespolizei wird, seit Deutschland von Staaten umgeben ist, die dem Schengen-Abkommen angehören, vor allem an Flughäfen und im Bahnverkehr eingesetzt. Racial Profiling spielt hier insbesondere in Fragen des Aufenthaltsrechts und der an sich schon menschenverachtenden Residenzpflicht eine Rolle. Immer wieder berichten Betroffene und Betroffenenverbände wie die »Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt« (KOP) von Situationen, in denen Menschen an Bahnhöfen oder Flughäfen augenscheinlich einzig aufgrund ihrer Hautfarbe von der Bundespolizei kontrolliert werden.
»Die Betroffenen werden so für alle sichtbar in einen kriminellen Kontext gestellt«, meinen die Initiatoren der Kampagne »Stop Racial Profiling« dazu, die in Berlin Demonstrationen und Diskussionsrunden zum Thema veranstaltet. Bei den Umstehenden verfestige sich so die aus Vorurteilen gespeiste Wahrnehmung, Menschen nicht-weißer Hautfarbe und Kriminalität gehörten zusammen.
Die Berliner Polizei will davon wenig wissen. Sprecher Uwe Löher zufolge wird in Berlin kein Racial Profiling praktiziert. Erfahrungsberichte von Betroffenen zeigen jedoch das Gegenteil. Wahrscheinlich hat Biplab Basu von KOP recht, wenn er sagt, weiße Menschen könnten das nur schwer begreifen, weil sie es nie selbst erlebt haben. Allen anderen dagegen, so sagt er, brauche er das nicht zu erklären, weil sie es kennen.
So wie der junge Mann, der bei einer Podiumsdiskussion der »Amnesty International«-Hochschulgruppe an der Berliner Humboldt-Universität erzählte, wie er mit zwei Freunden eine U-Bahn-Station im Bezirk Wedding betreten wollte. Fünf Polizisten seien grundlos auf ihn los und hätten ihn an die Wand gedrückt. Seine zwei Begleiter blieben unbehelligt. Sie waren weiß – er schwarz. »Was ist von einem Staat zu halten, wenn er der Polizei die Möglichkeit gibt, die Menschenwürde derart mit Füßen zu treten?«, hieß es in einem Redebeitrag bei einer Demonstration von »Stop Racial Profiling« Anfang Oktober ebenfalls im Wedding. In Anbetracht solcher Erfahrungsberichte erscheint diese Frage berechtigt.
Das Deutsche Institut für Menschenrechte fordert, die Abschaffung rassistischer Personenkontrollen im Koalitionsvertrag zu verankern. Dennoch ist nicht zu erwarten, dass sich an der Lage etwas ändern wird, solange Polizei und Politik behaupten, es gäbe in Deutschland kein Racial Profiling. »Stop Racial Profiling« ruft daher dazu auf, selbst aktiv zu werden, einzugreifen und Vorfälle öffentlich zu machen. Racial Profiling als Form von institutionellem Rassismus muss als solche sichtbar gemacht werden.