Racial Profiling- Frankfurter Rundschau

RACIAL PROFILING

Enge Grenzen für Zivilcourage

Von JOACHIM F. TORNAU

Zug

Immer wieder kommt es zu Racial Profiling im Zug. Foto: dpa
Racial Profiling ist als verfassungswidrig eingestuft worden – trotzdem kommt es immer wieder zu spezifischer Auslese durch Polizeibeamten beim Kontrollieren von Ausweisen. Zwei junge Frauen haben Beamte wegen Racial Profilings verklagt – und jetzt verloren.

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“Polizeiliches Handeln zu kontrollieren“, sagte Richterin Dagmar Wünsch, „obliegt den Gerichten.“ Und nicht dem Bürger. Oder wie hier: der Bürgerin. Zivilcourage, so befand das Oberverwaltungsgericht in Koblenz am Donnerstag, muss enden, wenn sie der Polizei zu nahe kommt.

Geklagt hatte eine 28-jährige Studentin aus Witzenhausen, die nicht hatte wegschauen wollen, als Bundespolizisten in ihren Augen gezielt dunkelhäutige Bahnreisende kontrollierten. Also das taten, was als diskriminierendes sogenanntes Racial Profiling eigentlich untersagt ist. Und was dennoch, wie Migrantenorganisationen und Menschenrechtler immer wieder beklagen, Alltag ist in Deutschland.

Es war an einem Samstagmittag im Mai 2012. Erst diskutierten die Studentin und ihre Freundin mit den Beamten im Zug über ihr Tun, dann stellten sie sich daneben, als die Streife im Kasseler Hauptbahnhof den nächsten vermeintlichen Ausländer ansprach. Weil das für die 28-Jährige damit endete, im Polizeigriff aus dem Bahnhof geschubst zu werden, klagte sie gegen die Bundespolizei. Und unterlag auch in zweiter Instanz.

„Der Senat hält den Platzverweis für rechtmäßig“, sagte Vorsitzende Wünsch. Ob die beiden Studentinnen – was die Polizisten so vehement behaupteten, wie es die Frauen abstritten – „permanent“, „massiv“ und „provozierend“ auf die Beamten einredeten, war dem Gericht am Ende herzlich egal. Schon allein die „demonstrative Nähe“ sei als „Gefahr für die öffentliche Sicherheit“ zu werten, weil die Personalien nicht mehr ordnungsgemäß hätten überprüft werden können. Es ging um einen Abstand von anderthalb Metern.

Allerdings, betonte der Senat, lasse sich all das nicht verallgemeinern: Die Reaktion der Beamten sei nicht zuletzt wegen der Vorgeschichte im Zug als angemessen zu bewerten. Anders ausgedrückt: Die Polizisten wussten, dass die Frauen streitbare Antirassistinnen sind – und durften sich deshalb durch ihre Anwesenheit besonders gestört fühlen.

In einem viel beachteten Verfahren hatte derselbe Senat des rheinland-pfälzischen Oberverwaltungsgerichts Racial Profiling im Oktober 2012 als verfassungswidrig gebrandmarkt. Diesmal aber erstickte Richterin Wünsch die Hoffnung auf neuerliche klare Worte schon im Keim. „Wir werden das Verfahren nicht zum Anlass nehmen, die Kontrollpraxis der Bundespolizei zu überprüfen“, erklärte sie gleich zu Beginn der Verhandlung. Ob die Paragrafen des Bundespolizeigesetzes, die im Kampf gegen illegale Einwanderung auch die verdachtsunabhängige Überprüfung von Bahnreisenden erlauben, mit Grundgesetz und Europarecht vereinbar sind, stand deshalb gar nicht erst zur Debatte.

Mehrere Klagen anhängig
Die Frage, die nicht wenige Menschenrechtsorganisationen und Juristenverbände mit einem eindeutigen Nein beantworten, wird die Justiz damit aber nicht los. Bei mehreren Verwaltungsgerichten sind Klagen von Menschen anhängig, die sich als Opfer rassistischer Personenkontrollen sehen. Auch in Koblenz wird wieder verhandelt werden: Geklagt hat eine dunkelhäutige Familie aus Mainz, die in einem vollbesetzten Zug im Rheintal nach ihren Personalien gefragt wurde – als einzige.

Wie selten die Befragungen der Bundespolizei ihr vorgebliches Ziel der Bekämpfung illegaler Einwanderung erreichen, geht aus Zahlen hervor, die die Bundesregierung kürzlich auf eine Anfrage der Linken hin preisgab: Im vergangenen Jahr wurden bei 377 934 Kontrollen von Bahnreisenden außerhalb des Grenzgebiets gerade einmal 4613 Fälle unerlaubter Einreise oder unerlaubten Aufenthalts festgestellt. Das ist eine Trefferquote von 1,2 Prozent.

Az. 7 A 10993/13.OVG

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