Gewahrsam unter Aufsicht

Death in Custody als Initiative zur Etablierung neuer Beschwerdestrukturen in staatlichen Gewahrsamsbereichen

Stellungnahme von Each One Teach One (EOTO) e.V. und vom Migrationsrat Berlin zur Kampagne Death in Custody – Aufklärung der Todesfälle in Gewahrsamssituationen jetzt!

25. September 2019

„Death in Custody“ ist eine Reaktion auf die vielen ungeklärten Todesfälle Schwarzer Menschen und People of Color in Gewahrsam – wie etwa zuletzt im Fall von William Tonou-Mbobda im UKE in Hamburg oder Amad Ahmad in der JVA Kleve. Als Schwarze Communities, migrantisch-diasporische Communities und als Communities of Color treffen und verunsichern uns diese Vorfälle tief.

Das Ausbleiben einer Aufarbeitung der Todesfälle und Rechenschaft der Täter*innen seitens Ermittlungsbehörden und Staatsanwaltschaft verschlimmern die Gewaltsamkeit der Vorfälle. Im Umfeld der Betroffenen stößt dies auf Empörung Mit ihren Bemühungen nach Aufklärung stoßen sie bei Polizei und Justiz auf Abwehr.

Die Verzerrung der Geschehnisse zum Schutz von Polizeibeamt*innen, die ggf. in die Vorfälle verwickelt oder gar Täter*innen sind, sowie zur Aufrechterhaltung des Ansehens staatlicher Institutionen, wirft Fragen auf: Wer zählt in der Gesellschaft? Wessen Leben, wessen Tod sind von Relevanz? Wer hat Zugang zu Recht und Gerechtigkeit? Inwiefern ist Verlass auf Polizei und Justiz? Wie konsequent wird in Institutionen mit diskriminierendem, rassistischem Personal bzw. organisierten Nazis umgegangen?

Seit vielen Jahren verweisen Vertreter*innen von Communities of Color auf den Zusammenhang von Rassismus und institutioneller Gewalt, also darauf, dass Schwarze Menschen bzw. People of Color in ungleichem Maße von institutioneller Gewalt betroffen sind. Todesfälle in Gewahrsam und deren nicht-Aufklärung sind indessen die letzte Eskalationsstufe dieser Gewalt.

Todesfälle in Gewahrsam sind mit allen Mitteln zu verhindern. Dabei ist zu vergegenwärtigen, dass sie die Spitze eines Eisberges sind, an dessen Grund eine Vielzahl an Gewaltanwendungen und Diskriminierungen liegen,“ betont Céline Barry von der Antidiskriminierungsberatungsstelle EACH ONE von EOTO e.V. „Ratsuchende berichten u.a. von Racial Profiling, der Verwehrung gesundheitlicher Versorgung in Abschiebehaft, körperliche Übergriffe in Untersuchungshaft oder Psychiatrien. Diese Fälle machen auch die Intersektionalität der Betroffenheit sichtbar: Psychiatrieerfahrene, geflüchtete, prekär lebende und andere marginalisierte Gruppen sind besonders gefährdet.

Vor diesem Hintergrund wollen wir die Kampagne auch dafür nutzen, die Politik und Verantwortliche in Gewahrsamsinstitutionen – Gefängnisse, Psychiatrien, Wohnheime für Geflüchtete usw. – zur Etablierung effektiver Beschwerdestrukturen aufzufordern.

Gewahrsam muss unter Aufsicht gestellt werden. Nur so kommt der Staat seiner Verantwortung nach, alle Menschen gleichermaßen vor institutioneller Gewalt und Diskriminierung zu schützen. Die breitgefasste präventive Programmatik des Berliner Landesantidiskriminierungsgesetzes kann bei Gewahrsamsinstitutionen, in Berlin und darüber hinaus, zum Anlass genommen werden, neue Wege einzuschlagen,“ so Céline Barry weiter.

Bereits 1996 forderte der UN-Menschenrechtsausschuss in diesem Zusammenhang etwa die Einrichtung unabhängiger Beschwerdestellen für Polizeigewalt.

Kontakt: Céline Barry (EOTO), celine.barry@eoto-archiv.de, 030 98324177.

Nadiye Ünsal (MRB), nadiye.uensal@mrbb.de, 030 61658755.

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