KOP-Broschüre 2013
KOP Chronik zu rassistischer Polizeigewalt in Berlin 2000 bis 2013 ist erschienen
Bestellung unter: www.kop-berlin.de oder E-Mail an info@kop-berlin.de
Die hier versammelten Chronikbeiträge berichten von rassistischen Vorfällen, in die Berliner Polizeibeamt_innen verwickelt sind. Die rassistischen Motive verquicken sich oftmals mit weiteren Dimensionen wie bspw. Geschlecht und Gender, Religion/Weltanschauung oder Alter und weisen damit eine mehrfache Diskriminierungsstruktur auf. Mit der Chronik will KOP über rassistische Polizeigewalt informieren, die Position der Betroffenen stärken und die Öffentlichkeit in die Aufklärung rassistischer Praxen mit einbeziehen. Die Fälle, die in dieser Chronik dokumentiert sind, gehen auf verschiedene Quellen zurück: Sie basieren auf Berichten von Betroffenen rassistischer Polizeiübergriffe, von Zeug_innen oder entstammen Meldungen aus Tageszeitungen und anderem Dokumentationsmaterial. Es ist nicht davon auszugehen, dass diese Chronik ein vollständiges Bild zeichnet. Nur selten kommen rassistische Polizeipraxen zur Anzeige, da regelmäßig Gegenanzeigen folgen und/ oder es keine (aussagebereiten) Zeug_innen gibt. Die Chancen auf Verurteilung der Polizeibeamt_innen sind sehr gering, auch wenn die Belege schlagend sein sollten und sich Gegenanzeigen als unbegründet herausstellen. Es sind Fälle bekannt, in denen von einer Veröffentlichung oder gar Anzeige zurückgeschreckt wird, da der Aufenthaltsstatus der Betroffenen ungeklärt ist und negative Folgen wie eine Abschiebung zu erwarten sind. Erschreckend ist, dass sich vor diesem Hintergrund eine gewisse Normalität einstellt. Nicht nur die Polizeibeamt_innen gehen von einer niederen sozialen Stellung der Betroffenen aus, sondern auch die Opfer selbst: Sie empfinden diskriminierende Behandlung zwar nicht als gerecht, aber als üblich für deutsche Verhältnisse. Damit muss man von einer zahlenmäßigen Unterschätzung der Fälle ausgehen. Die Zahl der tatsächlich zur Anklage kommenden Prozesse oder die Zahl verurteilter Polizeibeamt_innen spiegeln in keinster Weise das zahlenmäßige Ausmaß widerrechtlicher rassistischen Praxen wider. Vielmehr werden Verfahren gegen Polizeibeamt_innen in den meisten Fällen eingestellt. Nur in knapp fünf Prozent der angezeigten Polizeiübergriffe, wird überhaupt ein Gerichtsverfahren eröffnet. Allein hieraus im Rückschluss zu folgern, dass Polizeibeamt_innen allzu häufig unberechtigterweise der „Körperverletzung im Amt“ oder „Beleidigung“ bezichtigt würden, ist unredlich. Denn gegenseitiger Schutz durch polizeilichen Korpsgeist und institutionelle Verquickungen innerhalb des Systems der Strafverfolgung (Polizei-Justiz) machen eine verlässliche Aufklärung und Ahndung rassistischer Polizeipraxen unmöglich. Ob es bei den hier gesammelten Vorfällen zu einem Prozess kam und welchen Verlauf dieser nahm, wird in den Rubriken »strafrechtlicher Verlauf« und »zivilrechtlicher Verlauf« dargestellt. Die Berichte der vorliegenden Chronik wurden vollständig anonymisiert. Deshalb lässt sich allein aus der Beschreibung des Vorfalls nicht immer deren rassistische Motivation rekonstruieren. KOP jedoch wertet polizeiliches Handeln dann als rassistisch, wenn Betroffene oder andere es als solches empfinden bzw. analysieren. (vergleiche dazu die Rubrik »rassistische Motivation«). Ein rassitisches Moment lässt sich am einfachsten dann nachweisen, wenn Polizeieamt_innen diskriminierende Bemerkungen äußern. In diesen Fällen genügen abfällige Äußerungen in bezug auf rassialisierte Hautfarbe, Religion, Staatsangehörigkeit und anderes, um eine rassistische Motivation zu belegen. In anderen Fällen zeigt sich die rassistische Ungleichbehandlung dadurch, dass die Betroffenen für die Polizei durch ihr Äußeres »auffällig« und im Folgenden polizeilichen Maßnahmen unterzogen werden. Damit gehen diejenigen Fälle einher, die auf die implizit rassistischen Fahndungsraster (Racial Profiling) der Polizei zurückgehen. Insbesondere bei »verdachtsun abhängigen Kontrollen« und durch die Definition sogenannter »gefährlicher bzw. kriminalitätsbelasteter Orte« werden Personen kontrolliert, die aufgrund ihrer rassialisierten Hautfarbe und Herkunft von Polizeibeamt_innen selektiert werden. Die Kriterien für die Kontrolle selbst genügen schon einer rassistischen Vorurteilsstruktur (vgl. Kant, Martina: Verdachtsunabhängige Kontrollen. MigrantInnen im Netz der Schleierfahndung; in CILIP 65, 2000, S. 29–35) Rassistische Polizeipraxen finden in Berlin an öffentlichen, polizeidienstlichen und privaten Orten statt. Die in der Chronik abgebildeten Fotos sind Zeugnis hierfür. Sie sind den Berichten der Chronik jedoch nicht im Einzelnen zugeordnet, sondern sollen insgesamt einen städteräumlichen Eindruck von der Alltäglichkeit dieses Ausnahmezustands geben.